Nagler, Ferdinand Josef

Ferdinand Nagler

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11.8.1898 Wien – 2.7.1980 Edlitz, Niederösterreich

Ferdinand Josef Nagler war von 1941 bis 1976 Inhaber des Kunst- und Auktionshauses Wien 1, Kärntnerstraße 4, das dem jüdischen Eigentümer Albert Kende nach dem "Anschluss" Österreichs entzogen worden war. Geschäftliche Tätigkeiten Naglers vor 1938 lassen sich auf Basis der verfügbaren Akten nicht feststellen. Sein Name scheint jedoch im Zusammenhang mit der Versteigerung der Sammlung Figdor im Juni 1930 auf. Damals erwarb Nagler um den Rekordpreis von 3.900 Schilling einen ostdeutschen Zinnkrug aus dem 15. Jahrhundert für das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Nach dem "Anschluss" Österreichs wurde Nagler zunächst zum kommissarischen Verwalter von Albert Kendes Kunst- und Auktionshaus in der Kärntnerstraße 4 bestellt. Die Vermögensverkehrsstelle enthob ihn im März 1939 seiner Funktion, setzte ihn jedoch im September 1939 als Abwickler des Unternehmens ein. Im Oktober 1940 bewilligte sie die Übernahme des Betriebes durch den Kaufmann Josef Gruber. Doch schon im Oktober 1941 wurde Nagler als neuer Alleininhaber ins Firmenbuch eingetragen, der Firmenwortlaut auf "Ferdinand Nagler. Handel mit Kunstgegenständen und Versteigerungen" abgeändert. Die genauen Umstände der "Arisierung" sind unbekannt, da der einschlägige Akt der Vermögensverkehrsstelle nicht erhalten ist. Die Gewerbescheine für das Kunstauktionshaus in der Kärntnerstraße erhielt dieser im März und im Mai 1942. Sie berechtigten ihn unter anderem zum Kommissionshandel mit Kunstgegenständen (Verschleiß von Ölgemälden, Aquarellen, Handzeichnungen, Antiquitäten, Kunstgegenständen, Heliogravüren, Kupfer- und Stahlstichen usw.). Noch in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs fanden dort Versteigerungen statt. Das "arisierte" Kunst- und Auktionshaus in der Kärntnerstraße spielte während der NS-Zeit eine zentrale Rolle für den Kunsthandel im gesamten Deutschen Reich, vor allem als Umschlagplatz für entzogene Kunst- und Kulturgüter. Unter anderem wurden ein Teil der Sammlung von Ferdinand Bloch-Bauer sowie zahlreiche Objekte aus der Silbersammlung Ernst Eggers hier versteigert.

Ferdinand Nagler meldete im November 1946 die Firma Albert Kende. Kunstauktionshaus und Antiquitätenhandel in der Kärntnerstraße samt Konzessions- und Mietrechten als entzogenes Vermögen an. An anderer Stelle gab er an, das Unternehmen auf Basis eines Kaufvertrages vom 17. Juli 1941 um 7.800 Reichsmark erworben und sich nach Kriegsende mit Kendes Alleinerbin, dessen Schwester Irma Zeller, geeinigt zu haben. Die Grundlage für diese Behauptung bildete eine schriftliche Erklärung Zellers vom 30. September 1946, wonach sie auf die Rückstellung des entzogenen Vermögens verzichtet hatte. Zu einer öffentlichen Verwaltung des Unternehmens kam es nicht. Ferdinand Nagler war fast bis zu seinem Lebensende als Kunsthändler und Auktionator in Wien tätig, bis in die späten 1960er-Jahre am Standort Kärntnerstraße 4/8–10 in der Wiener Innenstadt. Dann verlegte er den Betriebsort an seine Wohnadressen, zunächst in die Kärntnerstraße 47/5, zuletzt in die Operngasse 32/22, wo er allerdings nur noch als Kunst- und Antiquitätenhändler und nicht mehr als Auktionator tätig war. 1968 und 1973 legte Nagler seine Gewerbescheine zurück. Die Firma Ferdinand Nagler wurde 1976 aus dem Handelsregister gelöscht.

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Publikationen zur Person / Institution

Gabriele Anderl, "Euer armer, unglücklicher, vollständig gebrochener alter Albert Kende". Die "Arisierung" des Kunstauktionshauses Kärnterstraße 4 in Wien, in: David. Jüdische Kulturzeitschrift 79 (12/2008), 76–80, URL: davidkultur.at/artikel/8222euer-armer-unglucklicher-vollstandig-gebrochener-alter-albert-kende (3.12.2020).

N. N., 3,750,000 Schilling bei Figdor. Das erstaunliche Ergebnis des ersten Tages der Versteigerung. – 700,000 Schilling für den berühmten Tournais-Gobelin, in: Kleine Volks-Zeitung, 12.6.1930, 4, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=kvz&datum=19300612&seite=4 (3.12.2020).

N. N., Vier Millionen Schilling für Kunstschätze. Der erste Tag der Figdor-Auktion, in: Neues Wiener Journal, 12.6.1930, 56, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwj&datum=19300612&seite=5 (3.12.2020).

N. N., Handelsregister, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 8.11.1941, 5, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19411108&seite=5 (3.12.2020).

Fr., Kunstauktion, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 16.6.1944, 4, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440616&seite=4 (3.12.2020).

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Albert Kende; Albert Kende & Co.; Ferdinand Nagler.

GISA Servicestelle, Magistratsabteilung 63, Firmenblätter Albert Kende, Josef Gruber, Ferdinand Nagler.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 15978, Albert Kende.

WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV I/J-1245, 1. Bez., Albert Kende, Ferdinand Nagler.
WStLA, Handelsgericht Wien, A 43, Registerakten, A 8, 43, Albert Kende.
WStLA, Handelsgericht Wien, A 43, Registerakten, HRA 7237, Ferdinand Nagler .