Immendorf, Schloss

Schloss Immendorf

Info
Zusatzinformationen

Wullersdorf

Das urkundlich erstmals im 13. Jahrhundert erwähnte Schloss Immendorf im nördlichen Weinviertel war ursprünglich eine zweistöckige Anlage um einen rechteckigen Hof mit quadratischen Türmen und wurde Ende des 19. Jahrhunderts restauriert und verändert. 1942 stellte Rudolf Freudenthal, der damalige Eigentümer von Schloss Immendorf, dem Reichsstatthalter in Wien Räume für Bergungen zur Verfügung. Bereits im selben Jahr wurden Teile der Sammlung Lanckoronski hier eingelagert, bis sie 1943 in das Schloss Thürnthal transportiert wurden. Ab März 1943 wurden Gemälde, Plastiken und kunstgewerbliche Objekte aus der Sammlung Lederer und der Österreichischen Galerie, darunter die Fakultätsbilder und andere Gemälde von Gustav Klimt, nach Immendorf gebracht. Im November und Dezember 1943 deponierte das Staatliche Kunstgewerbemuseum in Wien in Schloss Immendorf das "Laxenburger Zimmer", diverse ostasiatische und islamische Objekte, frühneuzeitliches Kunsthandwerk, über fünfzig Möbelstücke, Ledertapeten, zwölf Teppiche und das "Möchlinger Grab", einen in Form einer gotischen Kirche geschnitzten hölzernen Schrein aus dem 15. Jahrhundert. Zudem wurden hier auch Objekte aus Privateigentum geborgen. Ende März 1945, als die Rote Armee nach Wien vorrückte, versuchte Richard Ernst, der Direktor des Kunstgewerbemuseums, ohne Erfolg, 40 Bergungskisten und drei Ledertapeten aus Immendorf nach Wien zurückzuholen. In der zweiten Aprilhälfte 1945 näherte sich die Front Immendorf. Anfang Mai waren im Schloss deutsche Verbände stationiert, die am 8. Mai 1945 gegen Mittag abzogen. Wenige Stunden später rückte die Rote Armee mit zahlreichen Lastkraftwagen in Immendorf ein und begann das Schloss und die zugehörigen Gebäude zu besetzen. Gegen 18 Uhr brach im südwestlichen Turm des Schlosses ein Brand aus, der sich rasch ausbreitete. Die sowjetischen Soldaten flüchteten aus dem Bereich des brennenden Gebäudes. Am Morgen des 9. Mai 1945, dem ersten Tag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, schien der Brand erloschen zu sein. Allerdings flammte in der Früh des 10. Mai 1945 im zweiten Stock des Schlosses erneut Feuer auf, das auf die Räume im ersten Stock und im Parterre übergriff. Bis zum nächsten Tag war das ganze Gebäude ausgebrannt. Vom Schloss standen nur mehr die Mauern, im Inneren lag meterhoch der Schutt. Versuche, den Brand zu löschen und Kunstgegenstände zu sichern, waren erfolglos geblieben. Nur zwei Teppiche aus den Beständen des Kunstgewerbemuseums konnten gerettet werden. Alle anderen eingelagerten Objekte waren verbrannt. In den 1950er-Jahren wurden die Reste des Schlosses großteils abgetragen.

Viele Berichte zum Brand des Schlosses Immendorf legen nahe, dass die Bergungsstelle von deutschen Truppen – wahrscheinlich SS-Verbänden – bewusst zerstört worden war, um zu verhindern, dass die dort gelagerten Kunstgegenstände der Roten Armee in die Hände fielen. Ein endgültiger Beleg dafür existiert nicht. Auch liegen keinerlei Hinweise vor, dass sowjetische Soldaten für den Brand verantwortlich waren. Darüber hinaus gab und gibt es Mutmaßungen, dass nicht alle Kunstwerke zerstört wurden, sondern einzelne Objekte vor oder während des Brandes aus dem Schloss weggebracht werden konnten. Bis heute sind allerdings keine Stücke aufgetaucht, die auf den Bergungslisten der im Schloss Immendorf eingelagerten Gegenstände angeführt waren.

Author Info
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in der Ostmark, Band 1, Wien und Niederdonau, Wien-Berlin 1941.

Christina Gschiel, "Transport der Teile ohne zu schneiden". Die Bergung des Beethoven-Frieses aus der Sammlung Lederer in Schloss Thürnthal, in: Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien-Köln-Weimar 2016, 359–382, URL: doi.org/10.7767/9783205201564-018.

Leonhard Weidinger, "hiebei muß die Möglichkeit eines Luftangriffes und die Konservierungsfrage in gleicher Weise die Wahl bestimmen". Die Bergungsmaßnahmen des Staatlichen Kunstgewerbemuseums in Wien, in: Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien-Köln-Weimar 2016, 197–218, URL: doi.org/10.7767/9783205201564-011.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 1, Immendorf.