Duschnitz, Willibald

Willibald Duschnitz

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2.4.1884 Wien – 3.7.1976 Teresopolis, Brasilien

auch Guy Duschnitz

Willibald Duschnitz, seit 1907 mit Jenka, née Löff, verheiratet, erbte nach dem Tod seines Vaters Adolf Duschnitz 1909 dessen Gemäldesammlung, eine Villa im Cottageviertel im 19. Bezirk Wiens sowie die Erste Österreichisch-Ungarische Filzfabrik in Achau südlich von Wien, die auf die Erzeugung technischer Filze spezialisiert war und hauptsächlich das Militär belieferte. Duschnitz erweiterte die Kunstsammlung um weitere Gemälde sowie Skulpturen und Möbel der Renaissance und ließ 1915/16 die Villa durch Adolf Loos umbauen. U. a. erhielt das Haus einen Musiksaal mit einer Orgel. 1926 ließ sich das Ehepaar scheiden. Während Jenka Duschnitz mit der gemeinsamen Tochter Eva das Wohnrecht in der Villa erhielt, zog Willibald Duschnitz in eine Wohnung am Getreidemarkt, Wien 1, und trat aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus. Ab den 1930er-Jahren sammelte er zusätzlich Objekte der Antike und Asiatika. Nach dem "Anschluss" verkaufte Duschnitz, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft sein Eigentum durch das NS-Regime gefährdet sah, sein Unternehmen am 6. April 1938 an eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter. Einige seiner Kunstwerke beließ er als Leihgaben im Kunsthistorischen Museum in Wien, im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, das 1938 in Staatliches Kunstgewerbemuseum in Wien umbenannt wurde, und in der Kunsthandlung Auguste Kallai. Für den Rest der Sammlung erhielt er eine Ausfuhrgenehmigung, wobei 13 Kisten mit Kunstwerken vorerst in Wien blieben. Duschnitz emigrierte im September 1938 nach England und bald darauf nach Frankreich. Dorthin ließ er sich eine der Kisten mit Kunstwerken nachschicken, deren Inhalt allerdings geplündert wurde. Nach der Niederlage Frankreichs gegen NS-Deutschland 1940 floh Duschnitz via Madrid und Lissabon nach Brasilien. Hier konnte er sich rasch wieder als Unternehmer etablieren. Er besuchte 1948 erstmals nach dem Krieg wieder Wien und erreichte in den folgenden Jahren die Restitution eines Großteils seines Eigentums. Die zwölf in Wien verbliebenen Kisten mit Kunstwerken waren laut Auskunft der zuständigen Metropol-Spedition Alexander Pötsch im April 1945 in einem Lagerhaus verbrannt. Die als Leihgaben deponierten Kunstgegenstände erhielt Duschnitz zurück, allerdings wurden einige davon für die Ausfuhr gesperrt. Das Angebot, wieder die Leitung des Unternehmens in Achau zu übernehmen, lehnte er ab und entschloss sich, weiterhin in Brasilien zu leben. Dort betätigte er sich nach wie vor als Sammler und widmete u. a. 1963 dem Museum für Völkerkunde in Wien einen balinesischen Kalender. Schließlich verkaufte er seine Kunstwerke an Eva Klabin, Tochter einer aus Litauen stammenden Industriellenfamilie, die er schon beim Aufbau ihrer Sammlung beraten hatte.

1995 wurde in Rio de Janeiro das Museum Fundação Eva Klabin eröffnet, das viele Stücke aus der ehemaligen Sammlung Duschnitz zeigt. 2013 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Rückgabe von drei Gläsern aus dem MAK, für die das Bundesdenkmalamt nach 1945 keine Ausfuhrgenehmigung erteilt hatte, an die RechtsnachfolgerInnen nach Willibald Duschnitz. 2015 ergaben Recherchen, dass es sich bei der Orgel im Festsaal des Technischen Museums Wien um jene aus der Villa Duschnitz handelt, die 1955, nach der Rückstellung der Villa, an die Pfarre Leopoldsdorf verkauft worden war.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Willibald Duschnitz, 8.10.2013, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Duschnitz_Willibald_2013-10-08.pdf (3.12.2020).
Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Willibald Duschnitz, 9.5.2008, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Duschnitz_Willibald_2008-05-09.pdf (3.12.2020).

Harold H. Chipman/Leonhard Weidinger, Ein Enthusiast für Industrie und Kunst – Willibald Duschnitz, in: Eva Blimlinger/Heinz Schödl (Hg.), Die Praxis des Sammelns. Personen und Institutionen im Fokus der Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 5), Wien-Köln-Weimar 2014, 71–98, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205793564.71.

Harold H. Chipmann, Viena-Brasil: As duas vidas do conselheiro comercial Willibald Duschnitz (1884–1976), in: Marianne Feldmann/Cristina Ferrao/José Paulo Monteiro Soares/Viktor Hugo Klagsbrunn (Organizadores), Olhares Cruzados, Austria - Brasil, Edição Comemorativa, Kapa Editorial e Embaixada da Áustria, Brasil 2016, 239–245.

Archivalien

Archiv der IKG Wien, Matriken.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, St. 1515, Arisierungs-Akt der Ersten Österreichischen Filzfabrik.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 32.222, Willibald Duschnitz.